Bei Komponenten, die in direkten Kontakt mit Patienten gelangen, sind die Fertigungsanforderungen besonders hoch. Für ein ehemaliges Start-up-Unternehmen produzieren wir Kunststoffbauteile und -kartuschen, die für eine innovative Krebsimmuntherapie eingesetzt werden. Dabei garantieren wir die Einhaltung sämtlicher Reinraumstandards nach ISO 7 und lassen besondere Sorgfalt im Handling der Bauteile walten. Auf welche Prozessschritte es im Besonderen ankommt und welche Leistungen wir bieten, zeigen wir in folgendem Use Case auf.
Hohe Anforderungen an den Kunststoffspritzguss in der Medizintechnik
Für Leukämiepatienten, die auf konventionelle Behandlungen wie Chemotherapien nicht ansprechen und als austherapiert gelten, gibt es seit der Zulassung 2018 auch in Europa neue Hoffnung: Eine innovative Krebsimmuntherapie, bei der körpereigene Abwehrzellen gentechnisch so verändert werden, dass sie Krebszellen erkennen und eliminieren können. Die Technologie hinter dieser Behandlung ist komplex, denn zunächst müssen die patientenspezifischen Abwehrzellen (T-Zellen) in einem aufwändigen Verfahren außerhalb des Körpers modifiziert werden. Im Anschluss werden diese modifizierten T-Zellen wieder ins Blut des Patienten verabreicht und beginnen mit der Bekämpfung der Krebszellen.
Körperabwehrzellen gentechnisch verändern
Unser Kunde Lonza hat die sogenannte Nucleofector®-Technologie etabliert, um die Zellmembran der vom Patienten entnommenen T-Zellen zu öffnen und in den Zellkern gentechnisch veränderte Moleküle einzuschleusen. Dabei handelt es sich um ein Verfahren, das nicht nur in diesem speziellen Therapiefall angewendet werden kann, sondern viele weitere Einsatzmöglichkeiten im Bereich Life Science bietet. Per Elektroporation wird bei dieser Technologie die Zellmembran durch einen elektrischen Impuls kurzzeitig durchlässig gemacht und Moleküle (DNA, RNA oder Proteine – je nach Anwendung) über das elektrische Feld in den Zellkern eingefügt. Die Nucleofector®-Technologie von Lonza ist eine Weiterentwicklung bestehender Transfektions-Methoden und ermöglicht durch eine optimierte Elektroporation ein effizienteres Einbringen von Genmaterial in verschiedene Zellen wie Primärzellen, die bisher schwierig zu transfizieren waren.
Kunststoffspritzguss unter Reinraumbedingungen
Für das Nucleofector®-Verfahren unseres Kunden steuerten wir Komponenten aus Kunststoff bei, die hohe Anforderungen erfüllen mussten. Wichtig bei der Fertigung der Kunststoffbauteile war die Berücksichtigung der jeweiligen Bauteilqualität. Für den Laborbereich produzierten wir sogenannte Non-GMP-Produkte, die nur ISO-8-Reinraumstandards erforderten, während zur Therapie geeignete Komponenten GMP-konform nach ISO-7-Standard hergestellt werden mussten. Jede Verunreinigung konnte für bereits immungeschwächte Patienten weitere Komplikationen wie Folgeinfektionen nach sich ziehen. Unsere Reinraum-Experten achteten hier auf die Einhaltung sämtlicher technischer Standards und Verhaltensregeln.
Kompetenz im Mehrkomponentenspritzguss
Für alle Bauteile war ein Kunststoffgemisch vonnöten, das im Zweikomponentenspritzguss gefertigt wurde. Zunächst wurde ein transparenter, nicht-leitender Kunststoff in die jeweilige Form eingefüllt, dann folgte als zweite Komponente ein leitfähiger Kunststoff, über den der Stromimpuls erfolgen konnte. Leitfähige Kunststoffe sind kein einfach zu handhabendes Material, da sie zu einem erhöhten Verschleiß in den Werkzeugformen führen. Dies erfordert einen erhöhten Wartungs- und Pflegeaufwand. Eine weitere Herausforderung, z. B. bei der Fertigung von Küvetten, war die Integration von Metallpins, die als Anschlüsse fungierten, um die Konnektivität zu einem Gerät herzustellen, das den Strom lieferte. Diese mussten optimal in das Werkzeug eingebracht und dann mit Kunststoff umspritzt werden. Die verschiedenen Bauteile, die wir für den Kunden herstellten, unterschieden sich in erster Linie in der Form und im aufzunehmenden Flüssigkeitsvolumen.
Verblisterung mit Folie und Sterilisation
Im Anschluss an den Kunststoffspritzguss wurden die Teile in einem weiteren Reinraum zum fertigen Produkt assembliert und in einer Primärverpackung mit einer Folie verblistert. Diese Folie musste für Kontaminationen undurchlässig und für Gase durchlässig sein, da die Bauteile in einem Sterilisationsverfahren, direkt in der Primärverpackung, sterilisiert wurden.
Überführung in die Serienproduktion
Die Begleitung eines Start-ups von den Anfängen bis zum Erfolg ist für uns der Königsweg bei der Entwicklung eines Produkts. Wenn wir frühzeitig einbezogen werden – wie es hier der Fall war –, können wir die Designs oder Prototypen, die uns vorgelegt werden, kunststoffgerecht optimieren und anpassen. Es gilt, eine solche „Erfindung“ serientauglich zu gestalten. Wir beraten dann zu Kunststoffen und Kunststoffmischungen, die eventuell besser geeignet sein könnten, und begleiten das Unternehmen so in die industrielle Produktion.