Mit den Erfahrungswerten aus dem ersten PCR-Testkartuschen-Projekt für Schnelltests hinsichtlich MRSA-Keimen und SARS-CoV-2 betreuten wir die industrielle Fertigung einer Lab-on-a-Chip-Disk für den Nachweis der Hauterkrankung Psoriasis (Schuppenflechte) in Abgrenzung zu Ekzemen. Für diesen Laborablauf im Kleinformat arbeiteten wir eng mit der Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte Forschung zusammen, die die Vor- und Kleinserie des ausgegründeten Unternehmens betreute. Im folgenden Use-Case beleuchten wir, wie die Projektarbeit ablief und welche Fertigungsschritte seitens RKT vollzogen wurden.
Mini-Labor-Disk für Hauterkrankungen
Die Ausgründung Dermagnostix aus der Hahn-Schickard-Gesellschaft beruhte auf jahrelanger Forschung auf dem Gebiet der zentrifugalen Mikrofluidik. Es wurde eine Art Toolbox für die Flüssigkeitsverschaltung bei Lab-on-Chip-Testsystemen entwickelt – praktisch ein klassischer Laborablauf im Kleinformat.
Produktentwicklung beim Kunden
Ein Assay, also ein biochemischer Ablauf von Analyseschritten, sollte in ein produkttaugliches PCR-Nachweisverfahren für dermatologische Erkrankungen auf einer Lab-on-a-Chip-Kartusche integriert werden. Dieser Intended-Use beschreibt genau, was das Produkt leisten soll, wo es eingesetzt wird, welche Rahmenbedingungen bestehen. Mithilfe der Toolbox konnte der Assay seitens Hahn-Schickard auf einem zentrifugalen CD-förmigen System integriert werden. Es erfolgte die Ausgründung des Unternehmens Dermagnostix, um aus dieser Produktidee ein marktreifes Produkt weiterzuentwickeln. Gemeinsam mit Hahn-Schickard konnten erste Prototypen umgesetzt und Design- und Fluidik-Spezifikationen weiter ausgearbeitet und verbessert werden.
Kunststoffgerechte Auslegung durch RKT
Die Überführung in den Kunststoff ist generell der Zeitpunkt, zu dem RKT ins Spiel kommt. Wir arbeiteten die Designanforderungen bezüglich des Werkstoffs Kunststoff aus und kümmerten uns um die Auslegung entsprechender Spritzgusswerkzeuge aus Stahl. Dabei kam es z. B. auf die Entformbarkeit der Bauteile an – teilweise mussten Entformschrägen und Radien implementiert werden, um die Entformbarkeit zu gewährleisten. Dann wurde wiederum die Fluidikfunktion erneut überprüft.
Der semiautomatisierte Assemblierungsprozess
Die Disk bestand aus zwei Kunststoffbauteilen, dem Substrat und dem Cover, die gemäß Spezifikationen spritzgegossen und im Anschluss an verschiedenen Stationen zusammengefügt wurden. Drittes Element war eine Siegelfolie, die später in einem Thermobonding-Prozess auf das Substrat zum Verschließen der Disk und ihrer biochemischen Inhalte aufgebracht wurde. Waren die Kunststoffteile fertig spritzgegossen, ging es an die Bestückung des Substrats, das die fluidischen Kanäle und Kammern sowie die für die Funktion notwendigen Reagenzien beinhaltete.
Während Hahn-Schickard für die Realisierung der Vor- und Kleinserie verantwortlich zeichnete, wurden die Prozesse bei steigenden Stückzahlen, die einen Bedarf an 90.000 Kartuschen erreichten oder überschritten, zu RKT in eine teilautomatisierte Linie überführt. Die jeweiligen Prozesse der Assemblierung, bestehend aus der Bestückung, der Siegelung, der Primär- und Sekundärverpackung der Kartusche, entwickelten wir in enger Absprache mit Hahn-Schickard.
Beschichtung und Einpipettieren
Zunächst wurde eine hydrophobe Beschichtung appliziert, die einen gleichmäßigen Transport des auszuwertenden Mediums durch die Kammern gewährleisten sollte. In der Überführung vom Prototyping bzw. der Kleinserie bei Hahn-Schickard in die Großserie bei RKT wurde hierzu ein Dosierroboter eingesetzt, der diesen Schritt positions- und wiederholgenau vollzog.
An derselben Station erfolgte ein weiterer diffiziler Prozessschritt: das positionsgenaue Einpipettieren von vier verschiedenen Primer-Lösungen mit einer Menge von je nur 5 Mikrolitern. Bei Fehldosierungen könnte es zu einer Fehlfunktion der Fluidik kommen.
Bestückung mit Stickpacks und Lyophilisaten
Im Anschluss erfolgte an der nächsten teilautomatisierten Station die Bestückung mit Stickpacks – hierin sind Lösungen verschiedener Inhaltsstoffe enthalten –, die lageorientiert mit UV-Kleber in das Substrat eingeklebt werden mussten. An der Folgestation wurden Lyophilisate (gefriergetrocknete Reagenzien) eingebracht.
Siegelstation mit Thermobonding
In der sich anschließenden Siegelstation wurde die Disk mit einer Siegelfolie in einem Thermobonding-Prozess mittels Heißprägung atmosphärisch verschlossen. Hierbei kam es auf die richtige Kombination aus Temperatur, Druck und Zeit an sowie auf eine Kompatibilität der beiden Kunststoffe von Substrat und Folie, damit beide sich miteinander bestmöglich verbinden konnten.
Schließlich wurde an der letzten Station das Cover zusammen mit einem Coverlabel auf das Substrat aufgebracht und in einem Aluminiumbeutel luftdicht primärverpackt.
Hoher Aufwand in der Qualitätssicherung
Insgesamt hielten wir uns bei der Prozessentwicklung und Hochskalierung an strenge Vorgaben seitens des Kunden; Maße von weniger als 100 µm mussten mit einer Fehlertoleranz von maximal 10 % eingehalten werden, ebenso gab es für sämtliche Prozesse enge Toleranzvorgaben. Um diese zu gewährleisten, bedurfte es eines hohen Aufwands. Bei der Qualitätssicherung dieser Disk-Bestandteile steckte sehr viel Aufwand in der Messtechnik. Stahlteile für den Präzisionsformenbau wurden produktionsbegleitend vermessen. Der Spritzgussprozess wurde mit einer DOE (Design of Experience) validiert. Zum Schluss erfolgte eine 100-Prozent-Prüfung – während des Hochlaufs noch manuell, später wurde diese automatisiert über ein Kamerasystem realisiert.
Entscheidend bei dem ganzen Projekt war die Kommunikation unter den Projektbeteiligten. Die Validierungen und Freigaben durch den Kunden erforderten eine permanente Abstimmung.
Weniger Aufwand und Invest
Je früher wir von RKT in Designüberlegungen einbezogen werden, desto besser können wir unser Kunststoff-Knowhow bereits in der Frühphase für die Auslegung mit einbinden. Das spart dem Kunden Aufwand, Zeit und Kosten, und wir sind gemeinsam in der Lage, ihm die gesamte Wertschöpfungskette zu ermöglichen.