Kunststoffe haben vielseitige Eigenschaften, weshalb sie in verschiedenen Branchen vor allem Metall mehr und mehr substituieren. Entscheidende Vorteile von Kunststoffen sind ihr deutlich geringeres Gewicht, die bessere Formbarkeit und damit größere Freiheiten in der Bauteilgeometrie und nicht zuletzt die größere Wirtschaftlichkeit in der Herstellung bei höheren Stückzahlen. Im Werkstoffvergleich zeigt sich, dass Kunststoffe durch ihren Variantenreichtum und mögliche Füllstoffe häufig eine Alternative zu Metall darstellen.
Das zentrale Argument für den Einsatz von Kunststoff gegenüber Metall ist das wesentlich geringere Gewicht. In vielen Anwendungen geht es bei den Komponenten um die Reduktion von Gewicht und Größe, wofür Bauteile aus Kunststoff prädestiniert sind. Daneben überzeugt die wirtschaftliche Herstellung von Kunststoffteilen, besonders wenn es um große Stückzahlen geht. Die Serienfertigung im Kunststoffspritzguss mit hochkavitätigen Spritzgusswerkzeugen ist in der Regel deutlich günstiger als die zerspanende Serienfertigung in der Metallverarbeitung.
Gegenargumente: Stabilität und Leitfähigkeit
Werkstoffkenner werden zwei wesentliche Einwände gegen die Bevorzugung von Kunststoff gegenüber Metall haben: Stabilität/Robustheit sowie Leitfähigkeit. Wenn es um eine hohe Festigkeit und Leitfähigkeit des Bauteils geht, wird Metall immer die Nase vorn haben. Jedoch kommt es auf die Anforderungen der jeweiligen Anwendung an, ob gewisse Vorzüge von Metall durch Füllstoffe wie Glasfasern oder Carbonfasern bei Kunststoffen nachgeahmt werden können. Um es vorweg zu nehmen: Sie können in vielen Fällen. Um eine höhere Festigkeit von Kunststoffen zu erreichen, können Glasfasern bzw. auch Glaskugeln oder für noch mehr Festigkeit Kohlenstofffasern beigemischt werden. Wenn ein Kunststoffbauteil leitfähig gestaltet werden soll, sind Carbonfasern oder Kohlenstoffzusätze, wie z. B. Leitruß oder Graphit, im Kunststoffgranulat verarbeitet. Nicht immer ist die so erzielte Leitfähigkeit des Kunststoffgranulats ausreichend, insbesondere an Kontaktstellen. Hier kann in einem weiteren Prozessschritt z. B. ein Silberleitlack als Kontaktfläche aufgedruckt werden. Um eine elektrische Kontaktfähigkeit herzustellen, werden in einem konkreten Anwendungsfall im Zwei-Komponenten-Spritzguss metallene Pins als Anschlüsse in das Werkzeug eingelegt und mit einem leitfähigen Kunststoff umspritzt. Anschließend wird in diesem Zwei-Komponenten-Spritzgussprozess der leitfähige Kunststoff mit einem isolierenden Kunststoff umspritzt. So werden die Vorteile des geringen Gewichts und der elektrischen Leitfähigkeit gezielt genutzt, ohne ein „schweres“ Metallteil verwenden zu müssen.
Produktbeispiel für eine Substitution Metall durch Kunststoff

Symbolbild: Gewinde aus Kunststoff, das eine hohe Stabilität, aber ein deutlich geringeres Gewicht als ein Metallgewinde aufweist.
RKT begleitete ein Kundenunternehmen bei einer gelungenen Substitution eines Metallteils durch ein Kunststoffteil: Die Gewindestange eines Insulinpens zur Diabetestherapie wurde bis zu jenem Zeitpunkt aus Metall gefertigt. Es handelt sich um ein wichtiges mechanisches Teil, das möglichst robust sein sollte, um stets eine genaue Dosierung zu gewährleisten. Jedoch bestand der Pen während des Zulassungsprozesses einen Falltest nicht. Nach einem Fall aus zwei Metern Höhe war der Pen nicht mehr gebrauchsfähig. Der Grund: Die Gewindestange aus Messing war zu schwer und sorgte für eine zu hohe Beschleunigung und infolgedessen für Beschädigungen am Pen. So wurde auf Kundenwunsch die Gewindestange durch Kunststoff substituiert. RKT beriet bei der Designauslegung und dem passenden, modifizierten Kunststoffgranulat, damit das Gewinde ebenfalls sehr stabil und zuverlässig hergestellt werden kann.
Pluspunkt Oberflächenstruktur
Was grundsätzlich für den Einsatz von Kunststoffen in der Medizintechnik spricht, ist ihre Oberflächenbeschaffenheit – insbesondere in Laboranwendungen hat Kunststoff gegenüber Metall sowieso, aber auch gegenüber Glas die Nase vorn. Metall ist aufgrund der fehlenden Transparenz, aber auch wegen der sehr glatten Oberfläche und der hohen Temperaturleitfähigkeit nicht für Analysezwecke im Labor geeignet. Was Kunststoffe hier auch gegenüber Glas auszeichnet, ist ihre spezielle Oberflächenstruktur, an die Zellkulturen besser anhaften können. Um Zellen verschiedenster Art zu kultivieren, wird neben einem geeigneten Medium auch eine spezielle Oberfläche benötigt, an der die Zellen adhärieren können. Kunststoffe mit ihrer ebenen, für die speziellen Bedürfnisse der Zellen oder auch spezifischer Substanzen auslegbaren Oberflächenstruktur bieten Zellen einen guten Halt zum Binden. Bei sehr speziellen Zelltypen ist es auch einfach möglich, zusätzlich eine erforderliche Beschichtung auf den Kunststoff aufzubringen. Zudem ist die Herstellung von Objektträgern, Zellkulturflaschen oder Petrischalen aus Kunststoff wiederum kostengünstiger als die Herstellung aus Glas, weshalb Kunststoff als Laborstandard gilt. Bestimmte Objektträger können kaum wirtschaftlich aus Glas produziert werden, wenn z. B. kleine Kanäle in den Objektträger eingearbeitet werden müssen (bei bestimmten Zellmigrationsstudien notwendig). Die Formenvielfalt von Kunststoff bietet zudem viel Flexibilität für Laborequipment, je nach individueller Analyseanforderung.
Eine kleine Einschränkung gegenüber Glas besteht in der Transparenz von Kunststoffen. Diese ist nicht so ausgeprägt wie bei Glas, aber für Mikroskopie und Analysezwecke in der Regel vollkommen ausreichend. Wichtig bei der Herstellung von Kunststoff-Objektträgern sind die Qualität des Rohstoffgranulats und der Schmelzeaufbereitung in der Spritzgussmaschine, sodass dass sich keine Blasen, Einschlüsse oder Schlieren am Kunststoffteil bilden. Unter dem Aspekt der Arbeitssicherheit hat wieder der Kunststoff die Nase vorn, da Glas leichter bricht und schärfere Bruchkanten und Scherben ausbildet, sodass ein Kunststoffteil hinsichtlich Verletzungsgefahr die bessere Wahl ist.
Freie Formgebung
Was für Laborprodukte vorteilhaft ist, die Formenvielfalt von Kunststoff, lässt sich auch in vielen anderen Branchen, in denen Metall vorherrschend ist, nutzen. Völlig frei ist die Formgebung auch bei Kunststoffen nicht, da die Entformbarkeit durch Entformschrägen zur unkomplizierten Entnahme aus den Werkzeugen gegeben sein muss. Abgesehen davon sind jedoch sehr flexible Formen möglich, was auch in einem weiteren Projekt gefragt war: Da Magnete aus Metall in ihrer Formgebung eingeschränkt sind, wurde RKT für Magnete aus Kunststoff angefragt. Durch Hinzufügen magnetischer Metall-Füllstoffe, die später im Spritzgusswerkzeug durch starke Permanentmagneten die Magnetrichtung der Kunststoffteile definieren, konnten Kunststoffmagnete in verschiedenen Formen gefertigt werden – die aber, das muss einschränkend hinzugefügt werden, eine geringere magnetische Haltekraft als z. B. Stahl aufwiesen.
Ein weiteres Verfahren, um Formen individueller zu gestalten und metallische Eigenschaften einzubringen, ist die MID (Molded Interconnect Devices)-Technik, mit der es z. B. möglich ist, 3D- statt 2D-Leiterplatten zu spritzgießen. Im Zwei-Komponenten-Spritzgussverfahren werden ein beschichtungsfähiger und ein nicht-beschichtungsfähiger Kunststoff miteinander kombiniert und im Anschluss in einem galvanischen Verfahren mit einer metallischen Leiterbahn beschichtet. Auf diese Weise entstehen dreidimensionale Leiterplatten im Kunststoffspritzguss, die für bestimmte Anwendungen, z. B. bei einem ESP-Bremsregelsystem, besser eingesetzt werden können als ihre metallischen 2D-Entsprechungen.
Viel Erfahrung nötig
Für den Einsatz von Füllstoffen im Kunststoffspritzguss ist viel Erfahrung ausgebildeter Kunststoffingenieure und Maschinenbauingenieure nötig, da das Handling oft herausfordernd ist. Durch Carbonfasern oder Glasfasern beispielsweise nutzen sich die Werkzeugformen schneller ab, was einen erhöhten Instandhaltungsaufwand zur Folge hat. Mit der Auswahl von speziellen hochlegierten Werkzeugstählen für die formgebenden Einsätze im Spritzgusswerkzeug kann bei der Werkzeugerstellung diesem potenziellen Verschleiß vorgebeugt werden. Bei Zusätzen wie Flammschutz im Kunststoffgranulat, z. B. für Teile in der Elektroindustrie, muss bereits das Werkzeug, speziell die formgebenden Werkzeugeinsätze entsprechend ausgelegt sein, da diese Zusätze chemisch sehr aggressiv sind und normale Stahlformen schnell korrodieren bzw. verschleißen lassen. So müssen diese Spritzgusswerkzeugeinsätze mit Spezialstählen mit höherem Chromanteil gefertigt werden, was RKT im hauseigenen Werkzeug- und Formenbau umsetzt.
Werkstoff-Fazit
Bei der Vielzahl der Branchen und Anwendungen mit ihren spezifischen Anforderungen haben Metalle und Kunststoffe jeweils ihre Berechtigung. Der Trend zeigt jedoch, dass Metallteile – wo es möglich ist – aufgrund des Gewichts und der ökonomischeren Produktion häufig durch leichtere und kostengünstigere Kunststoffe substituiert werden können.